Die ersten Angaben über Juden in Wetter sind spärlich, und wenn wir einen Hinweis finden, so ist das Zufall. Aus den Keller-Rechnungen von Amöneburg für die Jahre 1324 und 1325 erfahren wir, dass die in Wetter lebenden Juden jeweils 36 Schillinge Heller an Landbede (= Landsteuer) zahlen mussten. Für das 15. und 16. Jahrhundert tauchen die ersten Namen auf: Jüdin Isentrud (1444), Jude Sibode (1470), Jude Simon (1484), Jude Claus (1485), Jude Wigand (1522) Jude Nikolaus, Jude Gele, Jude Johannes uns Jude Simon (1528). Von den meisten wird mitgeteilt, welche Geldleistungen sie zu zahlen hatten, und von einigen erfahren wir, dass sie eine Scheune, Gärten oder einen Acker besaßen.
Mit dem 17. Jahrhundert verraten die Unterlagen etwas mehr über die Lebensumstände dieser Bevölkerungsgruppe, allerdings müssen wir davon ausgehen, dass ihr Einwohneranteil recht gering war. 1626 handelten einige Juden mit Häuten und rauen Fellen, was zu Komplikationen mit der Schuhmacher-, Löber- und Weißgerberzunft führte, denn das berührte die ureigensten Privilegien dieser Zunft, und so verwundert es nicht, wenn ein klares Verbot ausgesprochen wurde. - Ein Jahr später streiten sich zwei Juden miteinander. Der schon länger in Wetter lebende Schächter Hirtz bekommt durch einen Zuzug Konkurrenz und sieht sich in seiner Existenz bedroht, zum Glück stellt sich Marburg auf seine Seite! - Die beiden Schutzjuden Jakob und Herz legen sich 1660 mit der Krämerzunft an, indem sie unerlaubt Branntwein in der Stadt verkaufen, es ist selbstverständlich, dass ihnen dieser Handel verboten wird. - Da jüdische Bewohner, die etwas Vieh besitzen, dieses nicht mit dem Stadthirten auf den allgemeinen Huteplätzen weiden lassen, erkundigt sich 1669 der Bürgermeister von Wetter bei seinen Amtskollegen in Frankenberg und Rauschberg, wie es bei ihnen sei? Die Antwort ist eindeutig: Kein Jude darf vor sich allein huten, sondern muss sein Vieh unter den gemeinen Hirten treiben lassen.
Aus dem 18. Jahrhundert sind uns einige Statistiken überliefert, aus denen hervorgeht, es lebten durchschnittlich 5 Familien in der Stadt, in den neunziger Jahren waren es weniger. Das nächste Jahrhundert ist durch den Wunsch der Einbürgerung von Juden gekennzeichnet, denn unter Napoleons Herrschaft erhielten auch die Juden mehr Rechte, die dann von den hessisch Kurfürsten in den Verordnungen vom 14.05. 1816 und 07.03.1838 neu geregelt wurden. Jetzt versuchten viele, als Ortsbürger oder Beisitzer in die Stadt aufgenommen zu werden. Welche Schwierigkeiten hierbei auftauchten, belegen die Akten sehr deutlich. Für eine Ablehnung oder Aufnahme war die finanzielle Situation des Antragstellers ausschlaggebend.
Seit wann die Wetteraner Juden zur Synagogengemeinde Goßfelden gehörten, ist nicht bekannt. Nur so viel ist gewiss, um 1880 trennten sie sich von ihr und bildeten eine eigene Gemeinde. Die Einweihung ihrer Synagoge, die nach dem Bericht der Oberhessischen Zeitung am 10. September 1897 stattfand, war der Höhepunkt der israelischen Gemeinde. Aus der Stadtchronik erfahren wir, dass zur Feier viele auswärtige Juden erschienen waren. An dem feierlichen Umzug durch Wetter nahmen die wichtigsten Gremien der Stadt und Schulkinder teil.
Nicht allzu viele Belege sind uns über das religiöse Leben der Israeliten überliefert worden, doch ist u. a. ein wichtiges Zeugnis erhalten geblieben: Die Statuten des Israelitischen Frauenvereins Wetter von 1924. In 15 § heißt es: Die Bestimmungen des gesetzestreuen Judentums sind maßgebend für alle Veranstaltungen und Einrichtungen, und wir können ergänzen: das gilt auch für die übrigen Gläubigen. Das unterstreicht ebenfalls das später in der verwüsteten Synagoge gefundene Fragment eines Liturgiebuches.
Wie sehr die jüdischen Mitbewohner hier in Wetter zu Beginn des 20. Jahrhunderts integriert waren, zeigt die Ergänzungswahl zur Stadtverordnetenversammlung von 1924. Damals waren noch keine Parteien im Parlament vertreten, vielmehr gab es fünf Listen, die durch den Namen einer Person gekennzeichnet wurden. Der Jude Albert Stern führte eine solche Liste an und sein Wahlvorschlag konnte die meisten Stimmen auf sich vereinigen; seitdem gehörte Albert Stern bis 1933 diesem Gremium an.
Den ersten Hinweis auf antisemitische Haltungen in Wetter dokumentiert eine anonyme Anzeige aus dem Jahre 1932. In ihr wurde Herr Plaut angeschwärzt, als Jude das Vorrecht zu besitzen, sein Auto nicht in einer ordnungsgemäß erbauten Garage unterstellen zu müssen.
Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten setzten die Behinderungen, Demütigungen, Verfolgungen usw. ein. Etwa 55 Menschen (in den Unterlagen schwanken die Angaben) konnten sich durch Auswanderung retten, wobei der größte Anteil nach Amerika ging, deportiert wurden mindestens 27 Personen. Sie gelangten fast alle in Vernichtungs- und Konzentrationslager oder Ghettos wie Auschwitz, Dachau, Theresienstadt.
Fred Buchheim, der in England überlebte, kehrte nach Kriegsende in seine Heimatstadt zurück und betrieb wie sein Vater einen Viehhandel. Andere hielten sich nur kurz in der Stadt auf, aber diese waren es gerade, die dafür sorgten, dass eine Versöhnung angebahnt wurde, die einen deutlichen Ausdruck in dem Besuch von 20 Personen hier in Wetter im September 1992 fand. Hierbei wurde an der Eingangsseite des Rathauses eine Gedenktafel für die Opfer des Nationalsozialismus enthüllt.